Wo das Wasser stillsteht, beginnt das Denken

Wenn ein Fluss gestaut wird, kommt die Frage: Was haben wir ihm – und uns – genommen?

An unseren beiden Wassertagen in Feldkirchen-Westerham und Memmingen am Mittwoch haben wir erlebt, wie stilles Wasser große Fragen aufwirft. Fragen über Natur und Technik, unsere Verantwortung und über das, was uns wirklich verbindet.

Die Mangfall war lebendig und voller Wind. Die Iller zurückgestaut, langsam, fast stehend. Doch genau diese Langsamkeit schärfte den Blick auf das, was fehlt, und auf das, was möglich wird, wenn wir innehalten.
Und dann war da auch die Freude am Entdecken und Paddeln. Zwei Wassertage zwischen Bewegung und Stille, zwischen Denken und Spüren und mitten im Wasser.

Feldkirchen-Westerham: Wenn Sonnenstrahlen durchbrechen

In Feldkirchen-Westerham begleiteten wir mehrere kleine Klassen der Mittelschule Feldkirchen zunächst an das Ufer der Mangfall, später ging es zum Stand-up-Paddling weiter an den Höglinger Weiher. Die überschaubare Gruppengröße schuf Raum für spannende Diskussionen über Wasser, Verantwortung und darüber, wie wir mit unserer Umwelt umgehen wollen. „Achtsamkeit bedeutet Respekt für die Umwelt zu haben und Wasser wieder trinkbar für alle Lebewesen zu machen“, sagte ein Mädchen.

Begleitet wurden wir von besonderen Gästen: Rennradprofi Antonia Niedermaier nahm sich Zeit, begleitete aufmerksam unsere Stationen und schenkte den Kindern mit ihrer Präsenz Inspiration. Auch unser langjähriger Partner Auto Eder unterstützte uns mit den engagierten Volunteers Carina und Anna, die diesen Tag mit Herz und Energie bereicherten.

Am Höglinger Weiher wehte ein kräftiger Wind – herausfordernd, aber kein Hindernis. Die Kinder paddelten mit Ausdauer und meisterten die Böen mit Bravour. Rund um sie zogen Enten gemütlich ihre Kreise.

Und dann gab es noch diesen außergewöhnlichen Moment an der Achtsamkeitsstation: Während der ersten Sonnengrüße durchbrachen Sonnenstrahlen die dichte Wolkendecke. Ein Junge lachte und fasste das Erlebte in einfache Worte: „Des macht ja richtig Spaß.“

Memmingen: Langsames Fließen, starke Gedanken

„Iller, Lech, Isar, Inn – fließen rechts zur Donau hin. Wörnitz, Altmühl, Naab und Regen – kommen ihr von links entgegen.“ So beginnt ein klassischer Merksatz, und heute durften wir mit zwei siebten Klassen des Vöhlin-Gymnasiums aus Memmingen einen Wassertag an, auf und in der Iller verbringen.

Die Iller, 147 Kilometer lang, ist geprägt von 14 Kraftwerken – fast alle zehn Kilometer eins. Was das bedeutet, konnten wir heute sehen und spüren. Oberhalb des Wasserkraftwerks Legau staute sich der Fluss, kein Strudeln, kein Schäumen, kein wildes Fließen. Nur ein sehr, sehr langsames Dahingleiten. Auch das Niedrigwasser trug dazu bei.

Und doch hatte dieses langsame Fließen etwas Gutes: Wir konnten mit unseren SUPs ganz ruhig auf der Iller paddeln. Keine Strömung, die uns zurückdrängte – dafür ein frischer Westwind, der uns sanft flussaufwärts schob. Hätten wir vor 120 Jahren hier gestanden, wäre das Wasser flott dahingegangen, ohne Wehre oder Hindernisse. Die Fische hätten wandern können. Die Iller hätte mit all ihrem Geschiebe Ulm erreicht und wäre weitergezogen, zur Donau, bis ins Schwarze Meer. Diese Gedanken machten uns heute still und sehr nachdenklich. Aber auch das ist Teil der Wassertage: innehalten, verstehen, fühlen.

Und dann war da die Erfahrung auf dem Wasser. Pascal wurde von einem Schüler begeistert als der „Umweltstar aus dem Film“ begrüßt. Gemeinsam ging es aufs Wasser. Der Schlamm am Ufer forderte uns heraus, aber das Gefühl in der Mitte des Flusses, der Wind auf der Haut, das frische Wasser beim Reinspringen vom SUP: unvergesslich. Die Regenfälle der letzten Tage hatten die Iller abgekühlt. Und in den wassertriefenden Gesichtern der Schüler:innen spiegelte sich all die Lebendigkeit dieses Moments. Ein Schüler sagte nach dem Sprung vom SUP: „Das war erfrischend – und irgendwie besonders.“ Genau darum geht es: sich mit dem Wasser zu verbinden. Eins werden.

Abseits vom Fluss war auch an Land viel geboten. An einer Station klärte ein Mitarbeiter des LEW Wasserkraftwerks über Hochwasserschutz auf. An einer anderen führte er uns durch das Innere der Anlage, in der Mensch und Maschine wie ein Uhrwerk zusammenarbeiten, um Strom aus Wasser zu gewinnen.

Wir entdeckten Wildthymian am Wegesrand, erfuhren, dass die Natur viel Nahrung für uns bereithält, wenn wir genau hinsehen. Es wurde Müll gesammelt – erfreulich wenig. Und Wasserfilter gebaut, um zu verstehen, wie Reinigung in der Natur funktioniert. Von der Sparkasse unterstützte Yvonne als Volunteer die Malstation und Michael Karrer überreichte allen Jugendlichen wiederbefüllbare Trinkflaschen.

The water we met

Die Mangfall

Still und zugleich kraftvoll fließt die Mangfall durch das bayerische Voralpenland. Sie entspringt aus dem Tegernsee und schlängelt sich rund 63 Kilometer Richtung Rosenheim, wo sie in den Inn mündet. Unterwegs nimmt sie zahlreiche Zuflüsse auf: die Schlierach, die Leitzach, die Glonn und viele weitere Bäche, die ihr aus den Wäldern und Mooren Wasser zuführen.

Früher wurde sie für die Holztrift genutzt, später kanalisiert und begradigt, und doch hat sie sich an vielen Stellen ihre Ursprünglichkeit zurückgeholt. In den letzten Jahren wurden einige Abschnitte renaturiert: Ufer wurden geöffnet, Sohlschwellen eingebaut, alte Mäander reaktiviert. So entstand Raum für Fische und Auwälder.

Und doch ist die Mangfall ein empfindliches Gewässer. Ihre Wasserqualität wird meist als mäßig eingestuft. Spuren der intensiven Landwirtschaft und Siedlungsdichte sind in ihr deutlich sichtbar. Dennoch ist sie ein wichtiger Trinkwasserlieferant und versorgt München mit Millionen Litern am Tag. Sie ist damit nicht nur ein landschaftliches, sondern ein existenzielles Band zwischen Natur und Stadt.

Der Höglinger Weiher

Der Höglinger Weiher bei Bruckmühl ist ein Relikt aus vergangenem Kiesabbau, das heute zu einem beliebten Naherholungsort geworden ist. Der See wird überwiegend von Grundwasser gespeist und ist wenig nähstoffreich. Aale, Hechte und Zander ziehen ihre Bahnen, auch wenn die Vielfalt begrenzt ist.

Was den See besonders macht, ist weniger sein Artenreichtum als seine Atmosphäre: Sandige Ufer laden zum Verweilen ein, das Nordufer wird von jungen Bäumen gesäumt. In heißen Sommern kam es in der Vergangenheit zu Algenblüten, doch aktuell gilt das Wasser als sauber.

Die Iller

Die Iller war einmal ein wilder Fluss. Entstanden aus drei Gebirgsbächen im Allgäu – Stillach, Breitach und Trettach – bahnt sie sich ihren Weg durch Bayern und Baden-Württemberg, bis sie nach 146 Kilometern bei Ulm in die Donau mündet.

Heute fließt sie nicht mehr frei. 14 Wasserkraftwerke zerschneiden ihren Lauf, fast alle zehn Kilometer wurde ein Wehr gebaut. Oberhalb der Staustufen ist kein Strudeln oder Aufschäumen mehr zu sehen. Was einmal Fluss war, ist vielerorts zum stehenden Band geworden.

Und doch: Diese erzwungene Ruhe öffnet Räume für Beobachtung und Fragen: Was bedeutet es, wenn ein Fluss nicht mehr fließen darf? Die Iller zeigt, wie sehr Technik in natürliche Kreisläufe eingreift. Ihre Temperatur steigt im Sommer auf bis zu 24 Grad, die Wanderwege für Fische sind unterbrochen, ihre Dynamik gedämpft. Und doch trägt sie.

Quote of the day

„Achtsamkeit bedeutet Respekt für die Umwelt zu haben und Wasser wieder trinkbar für alle Lebewesen zu machen.“

Thought of the day

Ein Fluss, der nicht mehr fließt, zeigt uns, wie kostbar Bewegung ist.

MAHALO an Antonia Niedermayer, an Carina und Anna von Auto Eder, an Michael Karrer und Yvonne von der Sparkasse Schwaben-Bodensee, an die Sparkassenstiftung Rosenheim, den Rotary Club München-Land, an die Mitarbeitenden des LEW Wasserkraftwerks an alle Lehrer:innen, Helfer:innen, Enten, Sonnenstrahlen und Schüler:innen – und an die Iller für dieses wunderbare und kostenlose Erlebnis.