Tag 35: Von Smederevo nach Dubovac – 33,7 km – 5:00 Stunden – 8.978 Paddelschläge – Gesamtkilometerstand: 1.372,5 km

23.08.2017. Pascal hat in Serbien im Uferbereich, aber auch in den Städten immer wieder viel Müll gesehen. Es scheint so, als gäbe es für den Naturschutz noch kein wirkliches Bewusstsein in der serbischen Bevölkerung. Laut einem Artikel der ZEIT gibt es in Serbien rund 160 offizielle Mülldeponien, die jedoch nur in seltenen Fällen EU-Standard entsprechen. Darüber hinaus existieren rund 4.000 illegale Mülldeponien, davon viele in der Nähe von Flüssen und Seen. Nur rund 10% der Abwässer werden aufbereitet. Belgrad sei die einzige Hauptstadt Europas, in der das Abwasser ungefiltert in die Donau und Save fließt. Es fehlt an Gesetzen und deren Umsetzung, Behörden zeigen sich überfordert und nicht zuständig. Wird das Thema in der serbischen Politik ernst genommen? Sagen wir mal so, in Wahlkämpfen der vergangenen Jahre spielte die Umwelt so gut wie keine Rolle. Für einen Politiker ist es in einem Land, in dem der Nettodurchschnittslohn bei rund 375 Euro liegt, dessen Arbeitslosigkeit rund 16% ausmacht und in dem jeder dritte Jugendliche keine Arbeit findet, vermutlich nicht die oberste Priorität für mehr Umweltbewusstsein zu plädieren. Und genau hier liegt die Tragik, denn gerade von Führungspersonen bedarf es einer Haltung, einer Vorbildfunktion, an der Menschen sich ausrichten können. Hierzu passt der P&T Spruch der Woche von Albert Schweitzer: „Das gute Beispiel ist die einzige Möglichkeit, andere zu beeinflussen.“

10:30 Uhr startete Pascal die heutige Etappe. Zunächst ging es für ihn am Zentrum von Smederevo, seinem Industriehafen und an vielen Schiffen vorbei. Ihm bot sich vom Wasser ein toller Blick auf die imposante Festung des Ortes.

Wenige Kilometer nach Smederevo mündet die Morava in die Donau. Sie und ihre vielen Zubringer spinnen sich wie ein Netz über den gesamten Balkan. Der Großteil des Verlaufs der Morava folgt dem Morava-Vardar-Graben, die Verbindung zwischen der Ägäis und der pannonischen Tiefebene. Nach Smederevo ging es dann endlich wieder in die Natur, es folgten keine größeren Orte mehr. Die Donau zeigte sich wieder in einer immensen Breite.  Und Pascal konnte wieder viele Angler beobachten, die sich auch nicht zu schade waren im Industriehafen von Smederevo zu angeln.

Nach 20 Kilometern legte Pascal seine erste Pause ein. Die Vorfreude wurde aber schnell getrübt, denn er kam sich wie auf einer Müllhalde vor. Es verdarb ihm die Laune und er fragte sich, ob es dem Buchheim damals 1938 ähnlich erging. Buchheim hatte damals wahrscheinlich eher mit Öl- und Dieselfilmen auf dem Wasser zu kämpfen. Während des Paddelns sieht Pascal auf der Wasseroberfläche nur selten Müll, er möchte aber eigentlich gar nicht wissen, was sich unter ihm abspielt. Jetzt, nachdem die Donau wieder etwas weniger Wasser führt, sieht er in jeder Kurve, auf jeder Sandbank sehr viel Unrat. Der Plastikmüll ist ein Thema, das Pascal extrem frustriert und er fragt sich, was man tun kann. Und gleichzeitig schaut er auf sein SUP und sein Equipment und was entdeckt er? Richtig, Plastik. Auf jeden Fall scheint er mit der Gründung von Pure Water for Generations auf der richtigen Fährte zu sein – hier muss was getan werden. Als wir am 15. Reisetag auf eine Prognose aufmerksam machten, dass täglich 4,2 Tonnen Plastikmüll im Schwarzen Meer landen, war Pascal noch misstrauisch ob des hohen Wertes. Auf seinen letzten Tagen ist ihm klar geworden, dass dieser Wert definitiv stimmen wird.

Frust hin oder her, für Pascal hieß es trotzdem seine Reise fortzusetzen. Und so passierte er wenig später den Mündungsbereich der kleinen Mlava. Sie kommt auf eine Länge von 160 Kilometer. Ihr Einzugsgebiet umfasst die Orte Drmno und Kostolac, an denen Kohlebergbau betrieben wird. Bei Kostolac wurden in den Minen Skelette von Mammuts entdeckt, deren Alter zwischen drei bis elf Millionen Jahren geschätzt wird. Nördlich kommt langsam die Banatski Pesak, die Banater Sandwüste, auf. Sie wird auch als Sahara Europas bezeichnet und ist ein Naturschutzgebiet mit einzigartigen Dünenlandschaften. Sie erstreckt sich bis nach Rumänien hinüber.

Gegen 15:30 Uhr erreichte Pascal sein Tagesziel Dubovac, nachdem er es beinahe verpasst hätte. Er hat heute pro Kilometer im Durchschnitt 266 Paddelschläge gesetzt. Zum Vergleich: bei seinem zweiten Ruhetag in Wien, als Pascal wegen den widrigen Bedingungen seine geplante Etappe nach 2,5 Kilometern abbrach, kam er auf einen Wert von 353 Paddelschlägen. Den niedrigsten Wert hatte Pascal auf der 27. Etappe von Mohacs nach Batina, als er pro Kilometer nur 178 Paddelschläge setzen musste, dank guter Strömung. Der Durchschnitt seit München liegt bei 233 Paddelschlägen pro Kilometer. Es wird interessant, wie sich diese Werte in den nächsten Tagen im Eisernen Tor mit seinen Stauwehren entwickeln werden.

Pascals Unterkunft ist schlicht, aber ruhig gelegen. Er hört keine Autos, er kann in aller Ruhe die Angler beobachten, vielleicht mit dem ein oder anderen ins Gespräch kommen, er gönnt sich ein kühles serbisches Bier und am Abend wird eine ältere Dame für ihn kochen. Das klingt nach Entspannung und hilft hoffentlich, den Frust des heutigen Tages zu verdauen.

Um dennoch nochmal auf das Thema Müll zurückzukommen: bei all dem, was die Menschen einfach in die Natur werfen, sollten sie ein paar Fakten bedenken. Wie lange braucht zum Beispiel das Meer, um weggeworfenen Müll vollständig abzubauen? Ein Papiertaschentuch: zwei bis vier Wochen. Eine Tageszeitung: sechs Wochen. Ein Pappkarton: zwei Monate. Ein Baumwollshirt: zwei bis fünf Monate. Speerholz: ein bis drei Jahre. Ein Zigarettenstummel: ein bis fünf Jahre. Eine Plastiktüte: zehn bis 20 Jahre. Ein Kaffeestyroporbecher: 50 Jahre. Eine Getränkedose: 200 Jahre. Eine Plastikflasche: 450 Jahre. And the winner is: die Angelschnur. Sie braucht 600 Jahre bis zu ihrem vollständigen Abbau durch die Natur. Toll. Und noch eine kleine Randnotiz zu uns so umweltbewussten Deutschen: pro Jahr werden allein in Deutschland laut der Deutschen Umwelthilfe rund drei Milliarden Kaffeepappbecher weggeworfen. In München sind es ca. 190.000 Stück täglich. Aber egal, Hauptsache wir bekommen unsere tägliche Koffeindröhnung. Und es ist so schön komfortabel.

Morgen geht es für Pascal nach Moldowa Veche, die erste Berührung mit Rumänien. Es ist die Türschwelle zum Eisernen Tor. Pascal wird am Abend auf die Filmcrew um Nils und Matse treffen. Außerdem steht das Kennenlernen mit Tibi an, ein SUP-Unternehmer und Tour-Guide. Gemeinsam werden sie am Freitag einen Paddelausflug in die Karstschluchten des Neratals machen.  TF

PS: Christof von Pure Water for Generations ist auf einen interessanten Beitrag des ORF gestoßen. In einer Studie des WWF zu österreichischen Flüssen wurde festgestellt, dass diese in den letzten Jahren massiv an Fläche verloren haben. Und natürlich ist es menschengemacht, denn anstatt Natur finden sich an den Stellen Straßen, Parkplätze, Gewerbegebiete und Siedlungen. Tiere und Pflanzen haben ihren Lebensraum verloren und die Flüsse verlieren an Kapazitäten, um Niederschläge aufzunehmen. Das Problem daraus: Hochwasser. Mehr dazu findet Ihr hier: http://science.orf.at/stories/2861470/.