Tag 50: Von Somovit nach Svištov – 54,3 km – 7:25 Stunden – 12.328 Paddelschläge – Gesamtkilometerstand: 1.905,5 km
07.09.2017. Stell Dir ein großes Inselareal mitten in der Donau vor. Sie gehört zu den größten des gesamten Verlaufs. Menschen gibt es auf den vielen Inseln nicht. Endlich mal ein Platz, der nur für Tiere und Pflanzen ist. Es ist ein Gebiet, das ständig überschwemmt wird. Und dadurch können Weiden und Silberpappeln in ihrem natürlichen Wachstum gedeihen. Kormorane, Rothalstaucher, Lachmöwen und viele andere seltene Wasservögel finden eine Heimat, können ungestört nisten und sich um ihren Nachwuchs kümmern. Eine Insel des Areals heißt Persin, nach dem Namen der Tochter des einstigen Paschas, der sie hier wegsperrte, um sie vor den bulgarischen Casanovas, den Ungläubigen, zu bewahren. Dieses gesamte Feuchtbiotop heißt Belene. Ein wunderbares Stück Natur, das Pascal heute durchpaddelte. Und dennoch kommt der Mensch mal wieder ins Spiel, dazu gleich mehr.
Das Zelten in freier Wildnis, es war mal wieder abenteuerlich für Pascal. Durch den Vollmond war es eine taghelle Nacht, der Boden war knochenhart, was seine Isomatte nicht abfedern konnte, hinzu kam eine ordentliche Frische. Pascal zog sich alle Kleidungsstücke über, die er hatte. Und dennoch war ihm ein wenig kalt. Und dann raschelte es auch noch hin und wieder hinter seinem Zelt. So ging er zwei Mal raus und klatschte kraftvoll in die Hände, um die Tiere, womöglich Wildschweine, zu verjagen. Er schätzte seinen Schlaf auf drei Stunden – nicht gerade die ideale Voraussetzung für eine lange Etappe am nächsten Tag. 8:50 Uhr am Morgen machte er sich auf den Weg. Der Tag war wieder heiß, um die 30 Grad. Die Wassertemperatur betrug 23 Grad, wie ihm der Hafenmeister in Svištov später verriet. Für Pascal ging es heute vor allem darum Kilometer zu machen. Dabei war es eigentlich ein besonderer Tag, denn es ist schon der fünfzigste Reisetag von Pascal auf der Donau, nachdem er am 20. Juli an der Max-Josef-Brücke in München startete. Wow!
Kurz nach dem Start mündet die Olt in die Donau. Sie kommt auf eine Länge von 615 Kilometern und durchfließt, den Ostkarpaten entspringend, ausschließlich Rumänien. In die Olt wurde heftig eingegriffen, insgesamt wurden 24 Staustufen zum Zwecke der Energiegewinnung errichtet und die Stauseen mit großen Mauern befestigt.
Es folgte die lange Passage der Insel Belene, die sich über eine Länge von rund 50 Kilometern erstreckt. Gleich zu Beginn des Areals folgt auf bulgarischer Seite der historischer Ort Nikopol. Ursprünglich eine römische Siedlung in der Provinz Moesien, wurde Nikolpol durch Byzantiner gegründet, die eine massive Festung errichteten. Für einige Jahre war der Ort die zweite Residenz der bulgarischen Zaren, ehe es von den Osmanen erobert wurde. In der Schlacht von Nikopol wurde ein Kreuzfahrerheer 1396 vernichtend geschlagen. Lange Zeit blieb der Ort, trotz mehrmaliger Belagerungen durch Ungarn und Walachen, in osmanischer Hand. Es war ein wichtiges militärisches, politisches und kulturelles Zentrum. Dank der gewaltigen Festung galt der Ort als sicherster Ort im ganzen Reich. In einer weiteren Schlacht von Nikopol 1877 wurde die Stadt von Russland eingenommen und größtenteils zerstört.
Pascal landete in Nikopol an, um sich Wasser und Proviant zu besorgen, dass über die Nacht zur Neige ging – den Kaufprozess vollzog er mal wieder mit Händen und Füßen. Der kleine Ort war gesäumt von vielen älteren Menschen, die an einer Bank Schlange standen. Einen richtigen Reim konnte sich Pascal darauf nicht machen. Bei einem kurzen Dorfrundgang sah aber wieder vermehrt Müll rumliegen, und es wurde ihm klar, dass er zurück in der „Zivilisation“ angekommen war. Und somit hielt sich Pascal hier nicht lange auf, sondern setzte rasch seine Etappe fort.
Auf rumänischer Seite, einige Kilometer landeinwärts befindet sich der Ort Turnu Măgurele, dessen Hafen im Mittelalter eine wichtige Bedeutung hatte. Heute gibt es noch Ruinen einer durch die Byzantiner unter Justinian I. errichteten Festung aus dem sechsten Jahrhundert. Direkt am Wasser befindet sich ein größeres Chemiekombinat. Ferner befinden sich rumänische und bulgarische Politiker in Diskussion über den Bau eines Wasserkraftwerks zwischen Nikopol und Turnu Măgurele. Es wäre mal wieder ein großer Eingriff des Menschen in die Donau.
Pascal hatte heute wieder eine passable Strömung. Einmal hatte er sich sogar verfahren, den Nebenarm wollte er eigentlich nicht nehmen. Von der Strecke her war es aber kein großer Unterschied. Durch den eher geringen Wasserstand kamen riesige Sandbänke zur Vorschein, auf denen Pascal zwei Mal für kurze Pausen anhielt. Er konnte heute den einen oder anderen Bagger beobachten, der Kies und andere Sedimentablagerungen abbaute. Und dann, rund fünf Kilometer vor dem Tagesziel, war es so weit: Pascal sah die ersten Pelikane, deren Heimat eigentlich im Donaudelta liegt. Es ist faszinierend diese besonderen Tiere in der freien Natur zu sehen.
Gegen 16 Uhr erreichte Pascal sein Tagesziel Svištov, und damit den südlichsten Punkt des gesamten Donauverlaufs. Wieder mal ist es ein Ort, der auf die Römer zurückgeht und der im Laufe der Geschichte durch Osmanen und Russen mehrmals zerstört wurde. Dem ein oder anderen ist vielleicht auch der Frieden von Swistowa bekannt. Das Abkommen beendete 1791 die türkisch-österreichischen Kriege, in dem vor allem Grenzen zwischen beiden Reichen festgelegt wurden. Heute ist Svištov ein nettes, kleines Städtchen, das hoch über der Donau liegt und durchaus zum Verweilen einlädt. Und ganz nebenbei ist Pascal hier bereits bei Flusskilometer 550 angekommen. Die Anlandung gestaltete sich heute einfach, und zu seiner Freude konnte Pascal sein SUP beim Hafenmeister hinterlegen. Der Mann war sogar so nett, dass er Pascal ein Taxi rief, das ihn zu seiner Unterkunft brachte. Er freut sich schon auf ein bequemes Bett und ein warmes Abendessen. Für Pascal ist es definitiv ein Kontrast, das Übernachten in der freien Natur im Vergleich zu einer komfortablen Übernachtung in Hotels oder Gasthäusern. Den Abend möchte er nun entspannen und vor allem einen erholsamen Schlaf finden.
Nochmal zurück zum Inselareal Belene, dieser Donaulandschaft mit schöner Natur, kleineren Seen und vielen Verästelungen. Negativen Beigeschmack gibt es in zweierlei Hinsicht, und wie immer ist er Menschen gemacht. Zum einen befand sich hier nach dem zweiten Weltkrieg ein Gefängnis, über das schreckliche Berichte zu Folterungen und zur bewussten Unterernährung der Häftlinge existieren. Zum anderen sollte in Belene ein weiteres Atomkraftwerk gebaut werden, und das in einem Gebiet, das als stark Erdbeben gefährdet gilt. Es kam zu heftigen Umweltprotesten. RWE, das den Zuschlag für den Bau erhalten hatte, stieg 2009 aus dem Projekt wieder aus, auch weil die Kostenprognose auf € 10 Milliarden erhöht wurde. Eine anschließende Einigung mit einem russischen Partner wurde wieder aufgelöst, wofür Bulgarien hohe Vertragsstrafen zahlen musste. Das Projekt ist nach wie vor nicht vom Tisch. Bulgarien sucht auch weiterhin einen Investor zur Realisierung des Baus. Schockierend, wenn man bedenkt, das erst 1977 ein katastrophales Erdbeben Rumänien heimsuchte und Wissenschaftler kommende Erdbeben in der Region mit einer Stärke von 7,5-8,5 auf der Richterskala einschätzen. Tschernobyl und Fukushima haben scheinbar noch nicht gereicht, um endlich Lehren zu ziehen.
Morgen geht es weiter nach Ruse. Somit folgt seit langem mal wieder eine größere Stadt. TF