Tag 63: Von Crisan bis ins Schwarze Meer – 38,0 km – 6:00 Stunden – 11.188 Paddelschläge – Gesamtkilometerstand: 2.467 km +++ Das große Finale +++ Die letzte Etappe +++ Der Turm von Sulina +++ Das Schwarze Meer +++
20.09.2017. Ich erinnere mich noch genau an Pascals Abreise am 20. Juli 2017 an der Max-Josef-Brücke in München. Den anwesenden Freunden und Journalisten rief er damals zu: „Zur Wiesn werde ich es nicht schaffen!“ Von wegen. Nach 63 Tagen, genau zwei Monaten, 2.467 Kilometern, 356 Netto-Stunden und 592.430 gesetzten Paddelschlägen erreichte Pascal das Schwarze Meer. Was für eine tolle Leistung. Chapeau und herzlichen Glückwunsch. Es ist eine Aktion, die stolz macht auf Pascal und das Geleistete!
Was für eine Reise. Mit den vielen Geschichten, die Pascal sammeln konnte. Vielen Menschen, die er kennen lernte, die ihm Hilfe anboten, die ihn mit Herzlichkeit aufnahmen. Unbequeme Nächte in der freien Wildnis, belohnt mit malerischen Sonnenauf- und -untergängen. Das Beobachten unzähliger Fischreiher, Störche, Kormorane, Möven und Pelikane. Das Passieren von Donauperlen wie Passau, Linz, Wien, Bratislava, Budapest, Belgrad, aber auch Industriemolochen wie Pancova, Smederevo, Galati. Zehn Länder, die er wie Rumänien für lange Zeit durchpaddelte, die er wie Moldawien oder die Ukraine nur kurz touchierte. Landschaftliche Highlights wie die Schlögener Schlinge, der Greiner Strudel, die Wachau, das Eiserne Tor, und dann das Donaudelta als krönender Abschluss. Dieser geschichtsträchtige Raum, der von Kelten, Griechen, Römern, Slawen, Magyaren, Mongolen, Osmanen, Habsburgern und vielen anderen beherrscht und kulturell geprägt wurde. Und dann natürlich der Fluss, die Donau, die Pascal zusammen mit der Isar knapp 2.500 Kilometer trug, deren Strömung ihn voran trieb, ihn in seinem Vorhaben unterstützte, ihn manchmal aber auch nicht loslassen wollte, ihm das Leben schwer machte, mit Gegenwind und aufschäumenden Wellen, manchmal aber auch schlicht mit Stillstand. Die Donau, die Pascal aber auch endlos begeisterte, mit der unglaublichen Kraft des Wassers, dieses Lebensspenders, in ihrer unendlichen Breite, ihren vielen Inseln und Sandbänken, aber auch in den engen Passagen, als sich Steilküsten neben ihm aufbauten.
Und dann waren da noch die tragischen Momente. Der ständige Müll an den Rändern, der Pascal in jeder Pause, bei jedem Anlanden begleitete. Die sich stetig verschlechternde Wasserqualität. Die unzähligen Wehre, als Zeugnisse massiven menschlichen Eingreifens in die Natur. Die Begradigungen, die die Idylle nahmen und das Paddeln zäh gestalteten. Vor allem in diesen Momenten erkannte Pascal, dass er auf dem richtigen Weg ist, indem er Pure Water for Generations gegründet hat, er der Natur etwas zurückgeben möchte, die er so lange schon nutzt. Ein Bewusstsein bei den Menschen schaffen möchte, dass es so nicht weiter gehen kann, dass wir diese wichtigen Lebensadern erhalten müssen, nicht nur für uns, sondern für alle kommenden Generationen. Und dafür konnte Pascal die Zeit, die Einsamkeit auf dem Wasser nutzen, um viele Ideen zu generieren.
Auch wenn wir den Spruch von Doug Tompkins in einen seiner letzten Interviews schon mal erwähnten, so passt er an dieser Stelle nochmal perfekt: „Ich weiß, dass nicht jeder meine Mittel hat, aber ich sage, das macht nichts, unternimm’ etwas nach deinen Möglichkeiten, du wirst es als lohnenswert und wertvoll empfinden und bezahlst damit die Miete für dein Leben auf diesem Planeten. Tu es einfach.“ Und genau das ist auch die Divise von Pascal.
Am Telefon hatte ich heute einen extrem gelösten und heiteren Pascal. Er rief mir zu, dass er „emotional super tiefenentspannt“ ist. Aber irgendwie findet er es auch komisch morgen nicht zu paddeln. Wer will es ihm verdenken.
Zunächst hieß es aber nochmal 38 Kilometer zu paddeln. 9 Uhr machte er sich auf seine letzte Etappe. Am Morgen war noch typisches Donauwetter, mit einem leichten, mystischen Nebel über dem Wasser. Am Vormittag klarte das Wetter aber wieder auf. Bis auf Sulina passierte Pascal heute keine Orte mehr. Links und rechts war er von unzähligen Schilfrohrfeldern umgeben. Er dachte heute viel über die vergangenen zwei Monate nach, und auch an das Buch Lass die Mitarbeiter surfen gehen von Yvon Chouinard, das Pascals Leben veränderte, und das ihn auch ermunterte diese Reise anzutreten. Der Kreis schließt sich.
Später, zur Mittagszeit, erreichte Pascal schließlich Sulina. Es „ist der einzige Ort im Lande, an dem du das wahre Hafenleben findest. […] Der levantinische Handel zieht Abenteurer aller Sorten an, die sich hier herumtreiben, um in den trüben Gewässern der Donau zu fischen. Ein Mosaik an Rassen. Alle Geschlechter, alle Typen und alle Sprachen. Die kleine Welt dieser Institution – Europa in Miniatur – mit Bühnenausstattung, Kulissen und Protokoll hat ein eigenes Leben.“ So beschrieb Eugeniu P. Botez unter Pseudonym 1933 den Ort. Sulina war ein kosmopolitischer Ort, in dem viele Sprachen gesprochen wurden, viele Konfessionen ansässig waren. Einst Anlegestelle der genuesischen Händler im 14. Jahrhundert, später Stützpunkt der osmanischen Flotte. Ein maritimer Hotspot mit großen Hafenanlagen und vielen Reedereien. Heute gleicht Sulina mehr einem verfallenen Fischerdorf. Ruinen von Fischerkonservenfabriken, alte Schiffswracks im Hafen und Plattenbauten bestimmen das Bild.
Und dann, am Ende der Stadt, kam der Moment des Glücks, aber auch der Wehmut auf. Der Turm von Sulina, Pascals visuelles Ziel, das seit Monaten als Poster in seinem Büro hängt. Es ist der östlichste Grenzposten der EU. Hier mündete früher die Donau ins Schwarze Meer. Allerdings liegt der Turm mittlerweile sieben Kilometer landeinwärts, denn die Donau verschiebt mit ihren Ablagerungen die Küste jedes Jahr 40 Meter weiter Richtung Osten. Der alte Leuchtturm ist heute ein Denkmal. Er wurde bereits 1922 außer Betrieb genommen und rostet heute mehr oder weniger vor sich hin. Natürlich konnte es Pascal sich nicht nehmen lassen, den Turm auch zu besteigen. Tolle Bilder entstanden, an die sich Pascal sicher lange erfreuen wird. Und die eine tolle Geschichte erzählen.
Anschließend galt es nochmal für Pascal rund sieben Kilometer zu paddeln. Und dann öffnete es sich so langsam, das Schwarze Meer. Pascal erreichte gegen 15 Uhr das Ziel seiner langen Reise. Große Freude kam bei ihm auf. So richtig fassen konnte er es zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich noch nicht, denn meist realisiert und reflektiert man das Geleistete vollständig erst einige Tage danach. So richtig mögen sie sich scheinbar nicht, die Donau und das Schwarze Meer, hohe Wellen bildeten sich beim Zusammenschluss der beiden Gewässer.
Warum eigentlich Schwarzes Meer? Weil die Menschen stets Ehrfurcht vor diesem Meer hatten. Ein kaltes Meer, düster, stets voller Stürme und Unwetter, große Unterwasserbestien sollen in ihm leben. Einst glaubte man sogar, dass wegen der starken Oberströmung die Donau bis zum Bosporus fließt. Erst im 17. Jahrhundert fand man heraus, dass es sogar eine starke Unterströmung im Bosporus gibt, die salzhaltiges Wasser aus dem Mittelmeer in das Schwarze Meer pumpt, und den einstigen Süßwassersee so zu einem salzhaltigen Binnenmeer machte. Die Donau jedenfalls, sie wird rasch vom Schwarzen Meer eingenommen und marginalisiert, und trägt dennoch gemeinsam mit großen Flüssen wie dem Don und dem Dnjepr zur Befüllung bei. Die Wasserqualität des Schwarzen Meeres gilt als bedenklich, um deutlich zu werden: es ist durch den Müll, fehlende Kläranlagen und ungefilterte Industrieabwässer ein bedrohtes Meer, mit einem radikal zusammengeschrumpften Fischbestand. Die Abwässer kommen von den Küsten der sechs Anrainerstatten, aber auch zu 30% aus den Flüssen wie der Donau, und damit auch aus unseren Gefilden. Vermutlich bedarf es erst einer Katastrophe, bis ein Umdenken erfolgt. Ein zutiefst nachdenklich machender Abschluss für Pascal auf seiner langen Reise. Und dennoch überwog natürlich zum Abschluss die große Freude ob der geleisteten Tat.
Pascal drehte wieder um, paddelte einige Meter zurück in den Kanal und sprang auf das Boot, das ihn zurück nach Sulina bringt. Hier wird Pascal mit Nils und Matse, die auch heute wieder mit der Kamera dabei waren, nächtigen. Am Nachmittag und am Donnerstag wird Pascal noch das ein oder andere Interview führen. Und dann geht es am Freitag auch schon wieder zurück, zunächst mit dem Auto nach Bukarest, und dann anschließend per Flieger nach München. Am Freitagabend wird Pascal wieder heimatlichen Boden betreten. Am heutigen Abend wird aber natürlich noch ein wenig gefeiert. Das ein oder andere Hopfengetränk wird sicherlich fließen. Immerhin ist ja auch Wiesn, und ein bisschen Training kann Pascal nicht schaden.
Nach der vollbrachten Leistung möchten wir noch eine Sache erwähnen: Die Freude über die Spenden in Höhe von 10.000 € wiegt groß, und allen Spendern sei ganz herzlich gedankt. Wenn jeder unserer treuen und gelegentlichen Leser für jeden Kilometer nochmal einen Cent spendet, dann würden pro Kopf nochmal 24,67 € zusammenkommen. Es wäre Pascal eine Herzensangelegenheit und würde helfen, noch mehr für die Natur zu tun.
Zum Abschluss bedanken wir uns an dieser Stelle an alle Leser. Die Berichterstattung ist aber hiermit nicht beendet. Wir werden Euch auch weiterhin auf dem Laufenden halten, was in nächster Zeit bei Pascal und Pure Water for Generations passiert, seien es Aktionen, Medienberichte, den kommenden Dokumentarfilm von Nils und Matse und – natürlich am wichtigsten – für welche Projekte die Spenden verwendet werden. Pascals Tour von München ins Schwarze Meer war erst der Anfang. In Zukunft wird einiges passieren, ihr könnt schon gespannt sein.
Herzliche Grüße an alle! Und vergesst nicht den P&T-Spruch der Woche: „Gehe du deinen Weg und lass die Leute reden.“ von Dante Alighieri. TF
PS I: Heute wird auch eine Pressemitteilung zu Pascals vollendeter Mission versandt. Schaut also gerne in die Gazetten in den kommenden Tagen oder auf unsere Medienseite. Auch das Radio und Fernsehen möchten berichten.
PS II: Schon mal ein Vorankündigung: Im November wird es eine Veranstaltung von Pascal geben, zu der alle Interessierten eingeladen sind. Einzelseiten werdet Ihr in den kommenden Wochen erfahren.